Hallo,
Meine rechtliche Meinung:
Zu 1.
Für Ursprungswaren aus der Türkei darf normalerweise nicht die VO 1207/2001 angewendet werden, da für diese LEen eine andere Regelung, nämlich Artikel 44 ff. (folgende) Beschluss Nr. 1/2006 des Aussschusses für Zusammenarbeit im Zollwesen EG-Türkei gilt.
Unter dem nachfolgenden Link können die entsprechenden LEen abgerufen werden:
www.zoll.de/DE/Fachthe...ungen.html
Wählen Sie auf der obigen Zollseite die LEen, die unter:
"Lieferantenerklärungen für grenzüberschreitende Warenlieferungen - Im Warenverkehr mit der Türkei (Zollunionswaren)" aufgeführt sind, aus.
In der Praxis werden für türkische Ursprungswaren nach wie vor (meiner Meinung nach unrichtig) die LEen der VO 1207/2001 verwendet.
In den meisten Fällen wird dies von der Zollverwaltung nicht beanstandet, könnte aber bei Ursprungsnachprüfungen zu Schwierigkeiten führen.
Am wichtigsten erscheint mir, dass es sich zweifelsfrei um türkische Ursprungswaren handelt. Vorsichtshalber würde ich im Laufe der Zeit die LEen des türkischen Lieferanten auf die richtigen Nachweise umstellen.
Zu 2.
Bei dieser Frage bestehen die meisten Unsicherheiten, Sie treffen hier genau ins Schwarze.
Auf der türkischen LE ist der Kumulierungsvermerk (auf der LE aus der VO 1207/2001) bei "keine Kumulierung angewendet", angekreuzt.
Was dieser Vermerk für die Ausstellung weiterer Nachweise bedeutet kann aus der VO 1207/2001, insbesondere aus den gültigen Vordrucken der Lieferantenerklärungen beantwortet werden.
Die LLE ist im Anhang II der o. g., konsolidierten VO abgedruckt. Man sollte sich im klaren sein, dass es sich bei allen zugehörigen Anhängen und Bestandteilen dieser VO um eine unmittelbar anzuwendende EU-Rechtsverordnung handelt.
Im Anhang II, in dem die LLE abgedruckt ist wird eingangs unmissverständlich vorgeschrieben, dass die LLE nach den Fußnoten zu fertigen ist. Die Fußnoten selbst müssen dabei aber nicht unbedingt abgedruckt sein.
In der Praxis ist mir noch niemand begegnet (auch kein Formularverlag) der es für notwendig erachtet, diesen Hinweis auch so auf den Formularen abzudrucken.
Deshalb liest auch kein Mensch diese Fußnoten, die eigentlich keine "billigen Fußnoten", sondern Rechtstext sind.
Die Zweifel und Unsicherheiten mit dem Kumulierungsvermerk könnten genau damit ausgeräumt werden.
Die Fußnote über den Kumulierungstext schreibt folgendes vor:
"Nur auszufüllen - falls notwendig - für Waren mit Präferenzursprungseigenschaft im Rahmen präferenzieller Handels- beziehungen mit einem der in den Artikeln 3 und 4 des jeweiligen Ursprungsprotokolls genannten Ländern, mit dem die Paneuropa-Mittelmeer-Ursprungskumulierung Anwendung findet".
Der Kumulierungsvermerk wird demnach nur ausgefüllt (ausfüllen bedeutet ankreuzen - auch keine Kumulierung...), wenn die Kumulierung auch angewendet werden soll.
Mit einem ausgefüllten Kumulierungsvermerk auf einer LE hat man meiner Meinung nach eine "LE-EURO-MED" in den Händen.
Daher dürften mit einer solchen LE auch nur EURO-MED-Nachweise im weiteren ausgestellt werden.
Es ist mir völlig klar, dass dies in der Praxis auch anders gesehen und auch anders gehandhabt wird. Gedankenlos verlangen viele ein Kreuzchen auf der LE bei: "keine Kumulierung angewendet" .
Sie haben richtig erkannt, dass auf der EUR.1 (oder EURO-MED) die Türkei als Ursprungsland unbedingt eingetragen werden muss.
Ich würde einen EURO-MED-Nachweis mit Ihrer LLE ausstellen und im Feld 4 die Türkei als Ursprungsland eintragen.
Mit der Türkei als Ursprungsland sind Sie ohnehin auf die Länder des PAN-EURO-MED-Raumes (unter Beachtung der Matrix) eingeschränkt. Mit einem EURO-MED-Nachweis hat Ihr Kunde auch mehr Möglichkeiten, da er die selbst im PAN-EURO-MED-Raum präferenzbegünstigt weiterliefern kann.
Ich hoffe, ich habe Sie mit meiner Rechtsmeinung nicht verwirrt und konnte Ihnen in dieser ausführlichen Weise weiter helfen.
Beste Grüße