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LKW-Fahrer und die Arbeitnehmerhaftung


jarre Geschrieben am 16 Dezember 2015



Dabei seit
17 Oktober 2014
111 Beiträge
Insbesondere bei Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens und daraus folgender unbeschränkter Haftung des Frachtführers stellt sich die Frage, ob und in welcher Höhe der in den Schadensfall verwickelte Fahrer des Frachtführers mit Regressansprüchen seines Arbeitgebers rechnen muss.

Vorweggenommen kurz zusammengefasst die Grundregeln, die die Rechtsprechung zur Haftung des Arbeitnehmers entwickelt hat:

- keine Haftung des Arbeitnehmers bei leichtester Fahrlässigkeit ("das kann jedem mal passieren" - solche Fälle sind jedoch selten),
- Teilung des Schadens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei normaler Fahrlässigkeit,
- volle Haftung des Arbeitnehmers bei grober Fahrlässigkeit ("das muss doch jedem klar sein, dass man das so nicht machen kann"). Hierbei kann aber haftungserleichternd zu berücksichtigen sein (Aufzählung nicht abschließend): die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Dauer der Zugehörigkeit des Arbeitnehmers im Betrieb, das bisherige Verhalten des Arbeitnehmers, Überforderung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber, Missverhältnis zwischen Einkommen des Arbeitnehmers und der Höhe des eingetretenen Schadens.

Der vorliegende Beitrag veranschaulicht dies anhand einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15. November 2012 - 8 AZR 705/11).

Der beklagte Fahrer, der bei Vertragsbeginn von der klagenden Spedition schriftlich auf das Bestehen eines absoluten Alkoholverbotes im Unternehmen hingewiesen worden war, kam im Juni 2008 bei trockener Straße gegen 3:30 Uhr samt Anhänger mit Wechselbrücke von der Fahrbahn ab und fuhr in den Seitengraben. Bei dem Versuch, den LKW aus dem Graben zu steuern, schleuderte das Fahrzeug unkontrolliert zurück auf die Straße in Richtung Mittelleitplanke. Als der LKW sodann wieder nach rechts ausscherte, stürzte der Anhänger mit der Wechselbrücke um und verlor einen Großteil seiner Ladung. Beim Fahrer wurdem kurz nach 5:00 Uhr 0,94 Promille festgestellt. Weder für den LKW noch den Anhänger hatte der Arbeitgeber eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen, noch bestand ein Schutzbrief für eine Bergung.

In einem Strafverfahren wurde der Fahrer wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr zu 35 Tagessätzen à 30,00 EUR rechtskräftig verurteilt.

Bergung und Reparatur von LKW und Anhänger kosteten das Unternehmen insgesamt knapp 12.000,00 EUR. Diese Kosten sowie den Selbstbehalt der Haftpflichtversicherung für beschädigte Waren verlangte der Arbeitgeber von seinem Fahrer erstattet, insgesamt ca. 16.700,00 EUR. Es sei davon auszugehen, so die Klägerin, dass der Fahrer zum Unfallzeitpunkt absolut fahruntauglich war. Der Fahrer habe daher grob fahrlässig gehandelt.

Der Fahrer wies dieses Ansinnen zurück. Es habe allenfalls eine relative Fahruntauglichkeit bestanden. Es habe lediglich ein Augenblicksversagen vorgelegen, so dass ihm allenfalls mittlere Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne. Die Arbeit als LKW-Fahrer sei gefahrgeneigt. Die Spedition müsse sich vorwerfen lassen, keine Vollkaskoversicherung abgeschlossen zu haben. Er besitze keine Vermögenswerte und habe zuletzt nur 1.400,00 EUR netto verdient.

Das Arbeitsgericht gab der Klage in Höhe von etwa 7.000,00 EUR, das Landesarbeitsgericht (LAG) erhöhte diesen Betrag in Berufung auf ca 8.100,00 EUR und führte zur Begründung aus: Der Beklagte habe grob fahrlässig gehandelt. Bei grober Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers sei aber die Haftung auf drei Bruttomonatsvergütungen begrenzt, wenn zwischen Verdienst und dem Schadensrisiko der Tätigkeit ein deutliches Missverhältnis bestehe, dies sei hier der Fall. Ausgehend von einem Bruttoverdienst von ca. 2.700,00 EUR ergebe sich der ausgeurteilte Betrag von 8.100,00 EUR.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hob das Urteil des LAG auf und verwies es zur erneuten Verhandlung an das LAG zurück. Zutreffend habe das LAG grobe Fahrlässigkeit des Beklagten bejaht, es sei heute Allgemeingut, dass man sich nicht an Lenkrad setzt, wenn man stark alkoholisiert ist, wer dies trotzdem tue, handle - zumal als Berufskraftfahrer - grob fahrlässig.

Unzutreffend habe das LAG allerdings im Falle einer groben Fahrlässigkeit und einem deutlichen Missverhältnis zwischen Arbeitsentgelt und Schadensrisiko eine stets geltende starre Haftungsobergrenze von drei Bruttomonatsverdiensten angenommen. Eine solche stets geltende Obergrenze gebe es jedoch nicht, diese könne nur vom Gesetzgeber durch entsprechendes Gesetz eingeführt werden.

Der Beklagte habe sich nicht zur Erleichterung seiner Haftung darauf berufen können, dass die Klägerin keine Vollkaskoversicherung abgeschlossen habe. Es sei nicht Zweck einer solchen Versicherung, dem grob fahrlässigen handelnden Arbeitnehmer zu einer Haftungserleichterung zu verhelfen, wenn dieser nicht zugleich Versicherungsnehmer ist.

Soweit zu dem Urteil.

Ist dem Frachtführer ein qualifiziertes Verschulden vorzuwerfen, das aus einem Verhalten des Fahrers resultiert ( Transportschaden infolge Trunkenheitsfahrt, Sekundenschlaf während der Fahrt, Aushändigung von Frachtgut an fremde Person, ohne Nachweis der Legitimation zu verlangen, Abstellen eines Planen-LKW mit diebstahlsgefährdeter Ladung über Nacht auf unbewachtem Gelände), kommt ebenfalls eine vollständige Haftung des Fahrers in Betracht. Anders verhält es sich, wenn das qualifizierte Verschulden auf einem Organisationsverschulden des Arbeitgebers beruht.

Fazit: Wie jeder Arbeitnehmer muss auch ein LKW-Fahrer damit rechnen, bei einem von ihm (mit-)verursachten Schaden von seinem Arbeitgeber in Regreß genommen zu werden. Fraglich im Einzelfall ist dann allerdings die Höhe des Haftungsbetrages. Bei grober Fahrlässigkeit droht die volle Haftung des Arbeitnehmers, dies kommt auch bei einem Verhalten des Fahrers in Betracht, das ein qualifiziertes Verschuldens des Frachtführers begründet.

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