Cargoforum Forum für Transport, Logistik, Spedition, Zoll und Außenhandel
Cargoforum.de in Zahlen: 13.029 registrierte User - 0 User online - 62 Gäste online - 61.021 Beiträge - 1.739.032 Seitenaufrufe in 2022



Haftung bei Diebstahl durch ungenügende Verpackung


chrismoli Geschrieben am 24 November 2015



Dabei seit
18 Juli 2007
22 Beiträge
Hallo zusammen,
mich würde die fachmännische Meinung bei dem nachstehenden Fall interessieren:

Ein Verlader versendet eine Palette mit 50 Karton Spraydosen.
Die Karton sind oben geöffnet und wurden zu 5 Lagen á 10 Karton auf die Palette gepackt.
Die Palette ist seitlich mit Folie umwickelt, jedoch nach oben offen.
D.h. nach oben ist die Palette nicht gegen Zugriff gesichert.

Der Spediteur übernimmt die Palette und stellt diese beim Kunden zu.
Der Kunde quittiert ohne Beanstandung und bemerkt 14 Tage nach der Anlieferung, dass in der 4 Lage 3 Kartons leer sind
und volle Kartons darüber gepackt waren, so dass dies bei der Annahme nicht ersichtlich war.

Der Empfänger reklamiert beim Absender und fordert eine Gutschrift der Fehlmenge.
Der Verlader schließt ein Verschwinden der Ware am eigenen Lager aus und reicht die Kosten an den Spediteur weiter. Dieser lehnt ab, da die Ware nicht gegen Zugriff gesichert war - schließlich kann man oben Kartons/Ware wegnehmen ohne die Verpackung der Palette zu beschädigen und ohne dies nachträglich feststellen zu können.

So und nun die überraschende Frage:
Wem wird dieser Diebstahl zugerechnet und wer muss dafür haften?

Es wäre super wenn die Antwort bitte auch mit den entsprechenden Paragraphen begründet wird.

Vielen lieben Dank bereits vorab für die Antworten!!!!

CARGOFORUM PARTNER

jarre Geschrieben am 24 November 2015



Dabei seit
17 Oktober 2014
111 Beiträge
Nun ja, zuzurechnen ist der Diebstahl natürlich dem Dieb. Und dieser müsste in erster Linie für den eingetretenen Schaden haften. Blöderweise ist er jedoch gerade nicht greifbar... Und keiner außer ihm weiß, wann und bei wem die Ware abhanden gekommen ist.

Relevant sind hier der Begriff der "reinen Quittung" - also die Unterzeichnung eines Lieferdokumentes ohne einschränkenden Vermerk - und ferner § 377 HGB.

Also - surprise, surprise - wieder mal spielt der Frachtbrief (oder der Lieferschein) eine entscheidende Rolle. Sofern der Frachtführer die Ware vom Absender gegen reine Quittung entgegen genommen hat, ist hierdurch die (widerlegliche) Vermutung der Vollständigkeit der Ware bei Übernahme durch den Frachtführer begründet.

Der Empfänger hat die Ware vom Frachtführer ebenfalls gegen reine Quittung entgegen genommen, wodurch die (widerlegliche) Vermutung begründet, dass er die Ware bei Empfang vollständig erhalten hat.

Nun hat der Empfänger zudem erst vierzehn Tage nach Anlieferung die Ware kontrolliert und dabei die Fehlmenge bemerkt. Gemäß § 377 HGB hat jedoch bei einem Handelskauf der Käufer die Ware unverzüglich nach Ablieferung auf Mängel zu untersuchen. Das ist hier nicht geschehen. Ein verdeckter Mangel liegt auch nicht vor.

Da der Empfänger die Ware zum einen gegen reine Quittung entgegen genommen hat und sie zudem erst zwei Wochen nach Empfang kontrolliert wurde, dürfte er aller Voraussicht nach auf seinem Schaden sitzen bleiben. Seiner Forderung kann entgegengehalten werden, dass die Fehlmenge erst enstanden ist, nachdem er die Ware in Empfang genommen hat.

betterorange Geschrieben am 25 November 2015



Dabei seit
02 April 2007
1271 Beiträge
Unbelassen der Tatsache, das bei offensichtlichen Verpackungsmängeln und der abgelaufenen Frist zur Reklamation eine Haftung nicht gegeben ist, wer sagt uns, das die Fehlmenge nicht schon beim Verlader entstanden ist?

Wenn die Palette noch oben offen ist, wurde ein Vermerk auf der Quittung gemacht?

Ich lehnte in diesem Fall eine Haftung aus bekannt publizierten Gründen ab.

chrismoli Geschrieben am 25 November 2015



Dabei seit
18 Juli 2007
22 Beiträge
Schon jetzt vielen Dank für die Ausführung!!

Bitte noch eine Abschlussfrage:
Angenommen der Empfänger hat die Fehlmenge am Folgetag der Anlieferung bemerkt.

Liegt dann ein verdeckter Schaden vor?
Wann wäre der Spediteur in der Haftung?

jarre Geschrieben am 26 November 2015



Dabei seit
17 Oktober 2014
111 Beiträge
Der von mir erwähnte § 377 HGB betrifft das Vertragsverhältnis Empfänger/Verkäufer. Betterorange weist zu Recht auf § 438 Abs. 1 HGB hin, welcher das Verhältnis Absender bzw. Empfänger/Frachtführer betrifft. Äußerlich erkennbare Mängel sind bei Ablieferung dem Frachtführer mitzuteilen, nicht äußerlich erkennbare Mängel binnen sieben Tagen nach Ablieferung, § 438 Abs. 2 HGB. Werden die eben genannten Fristen überschritten, führt dies jedoch nicht dazu, dass die Haftung des Frachtführers entfällt, sondern lediglich zu der (widerleglichen) Vermutung, dass der Empfänger das Frachtgut in vertragsgemäßem Zustand, - also vollständig und unbeschädigt - erhalten hat.

Angesichts der mangelhaften Verpackung und der damit verbundenen Wahrscheinlichkeit einer Fehlmenge lässt sich gut vertreten, einen äußerlich erkennbaren Mangel und damit eine Pflicht des Empfängers zur sofortigen Überprüfung nach Abladung zu bejahen.

Wäre die Verpackung nicht oben offen gewesen, hätte ein verdeckter Mangel vorgelegen.

Der Frachtführer haftet verschuldensunabhängig für Schäden, die am Frachtgut in der Zeit von dessen Übernahme bis zur Ablieferung oder durch Überschreitung der Lieferfrist entstehen, § 425 Abs. 1 HGB.

§ 427 Abs. 1 HGB zählt aber Gründe auf, wann die Haftung des Frachtführers ausgeschlossen ist, einer davon: ungenügende Verpackung durch den Absender, § 427 Abs. 1 Nr. 2 HGB.

Neues Thema eröffnen    Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 1







Deutschlands führendes Transport & Logistik Forum. Alles Wichtige zu Themen wie Spedition, Speditionsforum, Logistik, Logistikforum, Transport, Ausbildung, Studium, Karriere, Weiterbildung, Binnenschifffahrt, Existenzgründung, Transportforum, Luftfracht, Bahnfracht, Bahncargo, Seefracht, Schifffahrt, LKW, Güterkraftverkehr, Maut, Ladungssicherung, Gefahrgut, Charter, Eisenbahn, KEP, Kurier, Express, Paket, Multimodal, kombinierte Verkehre, Transportrecht, Transportversicherung, Zoll, Zollforum, RFID, Lagerlogistik, Warehouselogistik, AWB, Luftfrachtbrief, Container, Frachtflugzeug, Güterzug, Spediteure, Verlader, Fracht, Frachtforum, Transporte
© eine Onlinepublikation der VOCA media carsten vollenbroich