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Abweichung von den CMR durch individuelle Vereinbarung


Chev Geschrieben am 22 Oktober 2016



Dabei seit
10 April 2009
1477 Beiträge
Habe mal wieder eine Frage im Bereich Frachtrecht.

Und zwar ist es ja eigentlich so, dass individuelle Vereinbarungen immer Vorrang vor gesetzlichen Bestimmungen (z. B. dem HGB) und auch vor AGB (z. B. den ADSp) haben. Nun ist es ja so, dass gerade in der Automobilbranche, z. B. aufgrund von zeitlich sehr knapp getakteten Belieferungskonzepten wie JIT / JIS, empfindliche Vertragsstrafen bei Verschulden der Spediteure auf diese zukommen können. Die Höhe der "Strafen" muss aber durch individuelle Vereinbarungen der Vertragsparteien vorher festgelegt worden sein.

Und nun die Frage: Wie sieht das im Zusammenhang mit dem CMR-Frachtrecht aus? Soweit mir neuerdings bekannt, darf von den Bestimmungen (und somit auch von den Haftungsgrenzen) des CMR-Frachtrechtes - noch nicht mal mehr durch individuelle Vereinbarungen - abgewichen werden. Heißt das im Umkehrschluss, dass z. B. eine Vereinbarung einer Vertragsstrafe von 100.000 EUR bei Lieferfristüberschreitung nichtig ist und der Spediteur immer nur bis zu Höhe der Fracht nach den CMR haftet?

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jarre Geschrieben am 22 Oktober 2016



Dabei seit
17 Oktober 2014
111 Beiträge
Nach Art. 41 Abs. 1 Satz 1 CMR ist jede Vereinbarung nichtig, die unmittelbar oder mittelbar von den Bestimmungen der CMR abweicht.

Individuelle Vertragsstrafeabreden wegen Lieferfristüberschreitung, die über die Haftungsbegrenzung des Art. 23 Abs. 5 CMR hinausgehen, sind unwirksam (OLG München, TranspR 1985, 395; Koller, Kommentar zum Transportrecht, Art. 17 Rn. 64; Bodis, Die Vertragsstrafe im Transportrecht, TranspR 2014, 98 (103)).

Von der Begrenzung des Art. 23 Abs. 5 CMR kann gemäß Art. 23 Abs. 6 CMR nur in Anwendung von Art. 24, 26 CMR durch Eintragung in den Frachtbrief abgewichen werden.

Bei qualifiziertem Verschulden haftet der Frachtführer gemäß Art. 29 CMR zwar unbegrenzt, aber auch dann nur für den tatsächlich entstandenen und nach Art. 23 CMR ermittelten Schaden. Abreden über Vertragssstrafen sind auch im Rahmen des Art. 29 CMR unwirkam (Koller, Art. 29 Rn. 10).

Chev Geschrieben am 23 Oktober 2016



Dabei seit
10 April 2009
1477 Beiträge
Hallo Jarre,

Danke für die rechtliche Einordnung. Das ist für mich eine neue Erkenntnis, denn ich bin immer davon ausgegangen, dass individuelle Vereinbarungen über Haftungssummen die gesetzlichen Bestimmungen übertreffen dürfen. Zumindest im nationalen Frachtrecht / HGB ist das ja, soweit mir bekannt, uneingeschränkt zulässig.

Wenn ich es richtig verstehe, können aber trotzdem erhöhte Haftungssummen für Lieferfristüberschreitung vereinbart werden, wenn diese im Rahmen von Transportversicherungen abgedeckt sind, welche der Spediteur abschließt? Oder ist auch das in den CMR untersagt?

Gibt es weitere internationale Frachtrechte der einzelnen Verkehrsträger, welche nicht durch individuelle Vereinbarungen "verändert" werden dürfen?

jarre Geschrieben am 23 Oktober 2016



Dabei seit
17 Oktober 2014
111 Beiträge
Hallo chev,

im nationalen Straßentransportrecht regelt § 449 HGB, inwieweit abweichende Vereinbarungen möglich sind. Verbraucher als Vertragspartner soll hier außer Betracht bleiben, in dem Fall gilt § 449 Abs. 3 HGB.

Ist Vertragspartner des Frachtführers ein Unternehmer, ist eine Vereinbarung erforderlich, die im einzelnen ausgehandelt sein muss, § 449 Abs. 1 Satz 1 HGB. Für ein Aushandeln reicht nicht aus, dass allein über die Höhe der Vertragsstrafe diskutiert worden ist. Die Parteien müssen auch darüber verhandelt haben, dass der Vertragspartner des Frachtführers vom Nachweis eines Schadens durch die verspätete Lieferung freigestellt ist. Verhandeln heißt, der Vertragspartner des Frachtführers muss die vom ihm beanspruchte Freistellung vom Schadensnachweis ernsthaft zur Disposition gestellt haben. An dieser Bereitschaft wird es beim Vertragspartner in aller Regel fehlen, so dass eine getroffene Vereinbarung schon deshalb vor Gericht keinen Bestand haben wird. Im Ergebnis ist es also im nationalen Straßentransport grundsätzlich nicht von vornherein ausgeschlossen, eine Vertragsstrafenvereinbarung wegen Überschreitung der Lieferfrist zu treffen. Im Streitfall vor Gericht könnte es jedoch schwierig werden nachzuweisen, dass die Vereinbarung im einzelnen ausgehandelt worden ist.

Vereinbarungen von erhöhten Haftungssummen wegen Lieferfristüberschreitung sind in den CMR generell untersagt. Es gilt allein Art. 23 Abs. 5 CMR. Darauf und auf seine Versicherungsbedingungen wird ein Strassentransportversicherer hinweisen.

Im Bereich des internationalen Lufttransportes wie auch des internationalen Seetransportes sind Vertragsstrafen des Luftfrachtführers bzw. Verfrachters hingegen nicht per se ausgeschlossen. Hier kommt es dann auf die Verhältnismäßigkeit der Strafe an. Eine Vertragsstrafe soll nicht als weitere Einnahmequelle dienen.

Bei Multimodaltransporten sollte die Teilstrecke, auf die sich die Vertragsstrafe bezieht, konkretisiert werden; der Transport zur Straße muss ausgeklammert sein.

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