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Transportrecht Rechnungskürzung für verspätete Luftfrachtsendung


woehr Geschrieben am 01 September 2017



Dabei seit
01 September 2017
1 Beiträge
Hallo zusammen,
wir haben letzte Woche eine große Luftfrachtsendung nach Australien aufgegeben, diese sollte am 30.08. in Melbourne ankommen. Der Trucker unseres Spediteurs hat beim Transport der Ware zum Flughafen die Verpackung beschädigt, die Ware musste neu verpackt werden und kommt nun eine Woche später in Australien an. Unsere Monteure warten auf der Baustelle dringend auf die Teile, wurden ja eigentlich "extra" schnell verschickt damit dort zügig weitergearbeitet werden kann. Nun müssen sie quasi eine Woche länger arbeiten...
Für die ursprüngliche Lieferung kam die Rechnung über knapp 15.000,-. Weiß jemand ob in einem solchen Fall eine Rechnungskürzung bzw. Gegenberechnung unserer Wartezeiten vorgenommen werden darf?
Danke für eure Antworten,
Renate

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jarre Geschrieben am 02 September 2017



Dabei seit
17 Oktober 2014
111 Beiträge
Ob eine Gegenberechnung (Aufrechnung) vorgenommen werden darf, richtet sich in erster Linie nach den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen und/oder nach den gesetzlichen Vorschriften.

Sind die ADSp Vertragsbestandteil geworden, ist dessen Ziffer 19 von Bedeutung. Danach ist eine Aufrechnung nur mit fälligen Gegenansprüchen zulässig, denen ein Einwand nicht entgegensteht. Sofern der Anspruch gegenüber dem Spediteur noch nicht geltend gemacht und er noch nicht zur Zahlung eines konkreten Betrages aufgefordert wurde, dürfte es bereits an der Fälligkeit des Gegenanspruchs fehlen, so dass bei Einbeziehung der ADSp eine Aufrechnung schon deshalb nicht in Betracht kommen dürfte.

Die Haftung des Spediteurs wegen Überschreitung der Lieferfrist dürfte sich auch bei Einbeziehung von ADSp nach den gesetzlichen Regelungen, hier den §§ 423, 425 Abs. 2 HGB, bestimmen. Eine Haftung des Spediteurs setzt danach voraus, dass nachgewiesenermaßen durch die verzögerte Lieferung ein konkret bezifferter Schaden entstanden ist.

Zudem ist die Pflicht zur Schadensminderung zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass die Monteure anderweitig eingesetzt werden mussten, wenn vor Ort ihre Tätigkeit wegen der Lieferverzögerung nicht in Frage kam.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass gemäß § 431 Abs. 3 HGB die Haftung wegen Überschreitung der Lieferfrist auf den dreifachen Betrag der Fracht begrenzt ist.

Chev Geschrieben am 03 September 2017



Dabei seit
10 April 2009
1477 Beiträge
Hallo Jarre,

also kann man folgendes sagen?

- Lieferfristüberschreitung nach HGB 431 (da Lieferfristüberschreitung in ADSp nicht geregelt?)
- Haftungsgrenze des Spediteurs: maximal der 3-fache Frachtbetrag (wenn kein höherer Betrag individuell vereinbart wurde)
- Bedingung 1: der entstandene "Vermögensschaden" muss nachgewiesen werden
- Bedingung 2: der Anspruchsteller muss soweit ihm möglich, eine Schadensminderung durchgeführt haben

Jetzt hätte ich ein paar Fragen:

In welchen Fällen käme ADSp, Ziffer 23.3 zum Tragen bzw. HGB 433 (Haftungsgrenze: 3-facher Verlustbetrag)?
Oder anders gefragt: wie sind die "Sonstige Vermögensschäden", zu welchen die Lieferfristüberschreitung ja scheinbar nicht zählt, überhaupt definiert?
Gibt es zudem Fälle, in welchen der Spediteur beides ersetzen muss, also sowohl nach HGB 431 als auch nach 433 ?

Und zum o. g. Fall nochmal, Thema 3-fache Fracht: kämen hier bis zu 45.000 EUR in Frage (3 x 15.000 EUR) oder zählt lediglich der Frachtbetrag, welcher auf dem Vorlauf zum Flughafen entstanden ist, da ja in diesem Teilstreckenbereich (=Landfrachtrecht) der Schaden entstanden ist? (z. B. max. 1.500 EUR, wenn Vorlaufkosten 500 EUR betragen haben).

jarre Geschrieben am 04 September 2017



Dabei seit
17 Oktober 2014
111 Beiträge
Hallo Chev,

ja, kann man so sagen.

Die erste Hürde wird sein nachzuweisen, dass ein fester Liefertermin vereinbart war. Die zweite, sehr viel größere Hürde ist der Nachweis eines konkreten Schadens, der im Streitfall vom Anwalt des Spediteurs gewiss bestritten werden wird, das ist schließlich sein Job. Er könnte z. B. einwenden, dass die Monteure als Mitarbeiter ja sowieso bezahlt werden mussten (sog. Sowieso-Kosten).

Unter Ziffer 23.3 ADSp fallen Ansprüche für Schäden, die keine Güterschaden sind, z. B. Ansprüche wegen Unmöglichkeit der Leistung (Beispiel: Sofa-Spediteur hat einen Transport für einen festen Termin zugesagt, kann diesen aber nicht erfüllen, weil er zu dem Termin kein Fahrzeug bekommt). Ferner gehören dazu Verzugsschäden (Spediteur kommt nicht in die Hufe) oder auch Schlechterfüllung (z. B. Auslieferung an falsche Empfangsperson).

Die §§ 431 und 433 HGB sind ja keine Haftungsgrundlagen, sondern begrenzen die Haftung. Fälle, in denen beide Vorschriften zur Anwendung kommen, dürften sehr selten sein, ausgeschlossen sind sie nicht. Beispiel, wo möglicherweise beide Normen zur Anwendung kommen: Frachtführer entlädt mit dem Gabelstapler des Empfängers mit dessen Erlaubnis selbst Transportgut, welches vom LKW stürzt und dabei selbst beschädigt wird und zudem den Gabelstapler beschädigt.

Thema dreifache Fracht: Maßgeblich ist die für die gesamte Strecke vereinbarte Fracht.

Chev Geschrieben am 05 September 2017



Dabei seit
10 April 2009
1477 Beiträge
OK, leuchtet alles ein. Danke für die Info. Nur das mit der 3-fachen Fracht für die Gesamtstrecke finde ich heftig, da dies ja durch die sich anschließende Luftfracht eine hohe "Hebelwirkung" hat - sprich: Haftungssumme hier bis zu 45.000 EUR.

Eine Frage noch hierzu:

Zitieren::

Ferner gehören dazu Verzugsschäden (Spediteur kommt nicht in die Hufe)

Wäre das dann nicht wieder Lieferfristüberschreitung?

jarre Geschrieben am 06 September 2017



Dabei seit
17 Oktober 2014
111 Beiträge
Naja, dieser "Hebel" entsteht ja durch die vereinbarte Frachtsumme, nicht durch die Verdreifachung. Um diese Hebelwirkung zu vermeiden, wäre vielleicht der Abschluss mehrerer Verträge - einer für den Vorlauf, einer für den Seetransport, einer für den Nachlauf - sinnvoll. Ist dann natürlich mehr Papierkram. Und der Auftraggeber muss damit einverstanden sein.

Zum Thema Spediteur kommt nicht in die Hufe: Der Spediteur hat ja eine Vielzahl von Leistungspflichten, die nicht die Beförderung zum Gegenstand haben, und mit denen er in Verzug geraten kann, siehe § 454 HGB, und die zu einem Schaden führen können, obwohl (noch) keine Lieferfristüberschreitung eingetreten ist. Diese anderen Leistungspflichten sind hier gemeint.

Beispiele: Verzögerung wegen unrichtiger oder unvollständiger Zollbehandlung; Transportgut muss neu verpackt werden, da unzureichend verpackt; Verzögerung, weil falsches Transportmittel ausgewählt (z. B. statt Kasten- einen Planen-LKW), verzögerte Beauftragung des Subunternehmers.

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