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Haftung aufgrund Container Verspätung mehr als 1 Monat


Schifffahrt und Seefracht: Erfahrungsaustausch, Tipps und Tricks für Import und Export. Unser Forum Schifffahrt und Seefracht behandelt Fragen wie, wie kann ich als Unternehmer den Transport per Schifffahrt und Seefracht organisieren und optimieren? Welche Faktoren beeinflussen den Preis für den Transport per Schifffahrt und Seefracht und wie kann ich die Kosten minimieren? Welche Risiken gibt es bei der Schifffahrt und Seefracht? Welche Möglichkeiten gibt es, den Transport per Schiff zu beschleunigen? Wie entwicklen sich die Seefrachtraten? Wie staue ich einen Container und optimiere die Beladung?


Cargo2022 Geschrieben am 20 Juli 2022



Dabei seit
20 Juli 2022
1 Beiträge
Hallo Forum

ich habe mehrere Container auf See welche Mitte Mai in China in See gestochen sind und eigentlich Mitte Juli in Hamburg Hafen ankommen sollten. Der Termin wurde mehrfach nach hinten verschoben. Aktuell ist dieser auf Ende August geplant.
Nun habe ich mit meiner Ware ein Out of Stock Problem und es bleibt Umsatz in 6 stelliger und Gewinn in 5 stelliger Höhe liegen.

Meine Frage ist nun ob das Cargo Unternehmen, gegenüber dem Reeder, Haftungsansprüche hat, welche sie dann mir weiterleiten können? Oder ist dies einfach höhere Gewalt und man kann nichts machen?

Für jegliche Tipps bin ich dankbar auch wenn es durchsetzbar ist wie geht ihr vor? Mit Spezialanwalt oder klärt ihr es direkt mit dem Speditteur?`

CARGOFORUM PARTNER

Chev Geschrieben am 23 Juli 2022



Dabei seit
10 April 2009
1477 Beiträge
Dies ist kein einfaches Thema. Da es mich dennoch interessiert, habe ich mal ein paar Informationen zusammen getragen:

Vorab:
Bei einem Seetransport spielen generell viele Abhängigkeiten zusammen, eine Lieferfristüberschreitung nach dem HGB-Seefrachtrecht (in welches die Hague Visby Rules eingearbeitet wurden) ist nicht geregelt bzw. nicht genug definiert.
Die im HGB-Speditionsrecht/Frachtrecht festgelegte "3-fache Fracht" gilt für den int. Seefrachtbereich leider nicht.

Wer haftet wie - Reederei/Verfrachter:
Zu prüfen ist, was in den B/L-Bedingungen geregelt war. Diese sind mitunter umfangreich/individuell, aber man wird auch nicht viel zum Thema "Verzug" finden, da hier eher noch weitere (nach dt. Recht/BGB teils unwirksame) Haftungsausschlüsse zum Tragen kommen. Denn Klauseln in AGB, die jede Haftung des Verfrachters für einen Verzugsschaden ausschließen/begrenzen, sind gem. BGB §310/307 unwirksam. Jedoch versuchen sich Reedereien dennoch in den B/L-Bedingungen aus der Schusslinie zu nehmen, indem sie auf ein anderes internationales Recht verweisen, da sie das deutsche Recht (HGB/BGB) nicht anwenden müssen, zumal viele Container-Reedereien/Verfrachter ihren Sitz nicht in Deutschland haben.
Dies wiederum erschwert es für den (deutschen) Spediteur, die Reedereien nach dt. Recht (HGB/BGB) in Regress zu nehmen, wodurch Schadensersatzforderungen wegen Lieferfristüberschreitung für ihn schwierig sind.

Wer haftet wie - Spediteur:
Denn, wenn ein (deutscher) Spediteur zwischengeschaltet war, haftet dieser (gegenüber seines Kunden/ Auftraggebers) nach deutschem Recht wie ein Frachtführer, also gegenüber seines Auftraggebers als Verfrachter, sprich: HGB-Seefrachtrecht, welches oben erwähnte "Lücken" enthält. Somit auch hier erstmal schwierig, Ersatzansprüche für Lieferfristüberschreitung auf See an den Spediteur geltend zu machen, da z. B. die ADSp bei Lieferfristüberschreitung keine eigene Regelung enthalten und auch wieder auf die für die jeweilige Beförderung geltendes Recht (bei Seefracht: HGB-Seefrachtrecht) verweisen, somit fehlende Regelungen/Lücken.
Auch nach dem Recht des "Multimodalen Transportes" (HGB), nach welchem der Spediteur haften könnte, wird es meiner Meinung nach schwierig. Dort würde bei Lieferfristüberschreitung die "3-fache Fracht" gelten, jedoch nur bei unbekanntem Schadensort oder auf dem Landtransport. Bei Schadensort auf See (Verzögerung auf See oder im Umschlag/Terminal) greift auch hier wieder das HGB-Seefrachtrecht, somit fehlende Regelungen/Lücken.
Bleibt also nur noch die Geltendmachung nach dem BGB § 280/286. Zu einer Fälligkeit/Eintreten eines Verzuges im Seetransport wird mitunter die Zeit bis zur ETA + 50% ausgegangen, da genaue Definitionen fehlen und die ETA erstmal nur ein Richtwert ist (estimated). Bei entsprechender Mahnung/Fristsetzung bei Verzug, sind Schadensersatzforderungen an den Spediteur somit durchaus denkbar - ggf. hier mal weiter schauen: https://rabüro.de/zur-haftung-des-verfrachters-fuer-verzoegerungsschaeden/

Generell:
In der momentanen Situation wird es insgesamt aber schwierig mit Ersatzforderungen, da vieles auf Streik, Krieg, Höhere Gewalt (z. B. COVID-Pandemie), etc. zurückzuführen ist, welches Gründe für Haftungs-ausschlüsse nach dem HGB-Seefrachtrecht sind und auch (falls nicht anders vereinbart) als Risiken von Transportversicherungen ausgeschlossen werden.
Es kommt also auf den Fall an und ob/wie, die Verzögerung hätte verhindert werden können.

Fazit:
Letztendlich ist es aber durchaus möglich, dass der Spediteur zur Haftung herangezogen werden kann und dieses mitunter auch in unbegrenzter Höhe nach dem BGB. Es sei denn, der Spediteur hat seine Haftung durch eine individuelle Vereinbarung begrenzt.

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