Moin,
wenn ich mir die beiden letzten Beiträge so durchlese, bekomme ich den Eindruck, daß die Sache offenbar auf Seiten der Versender in diesen Fällen mit einer gewissen Ernsthaftigkeit betrieben wird. Insbesondere der Beitrag von RD läßt ja darauf schließen. Schwachstellen im System gibt es immer, oft ist es der Mensch: wer garantiert z.B., daß die Siegelnummern bei der Annahme des Containers auf dem Terminal oder spätestens vor der Verladung an Bord nochmal kontrolliert werden, um sicherzustellen, daß der Container eben nicht zwischendurch nochmal geöffnet worden ist?
Werden beladene Exportcontainer nicht normalerweise auch mit einem Zollverschluß versehen? Zumindest in dem Fall kann ich mir vorstellen, daß beim letzten Zollamt (also im Ladehafen) der Verschluß nochmal kontrolliert wird. Aber auch das wäre keine Sicherheit, da der Container auch nach der Ausfuhrabfertigung noch geöffnet werden könnte.
Ich möchte im Folgenden ein paar Denkanstöße zum Thema Bedrohung durch Terrorismus bzw. die Terrorabwehr durch den ISPS Code geben. Auf die eigentliche Frage von M.Mayerhofer im Ausgangsposting hier gehe ich dabei nicht ein. Am Ende des Beitrages verweise ich auf eine, wie ich finde, sehr lesenswerte Diplomarbeit, die sich mit dem Thema ISPS Code auseinandersetzt.
Die (terroristische) Bedrohung durch an Bord genommene Ladung dürfte in Mitteleuropa als relativ gering einzustufen sein. Eine zumindest latente Bedrohung besteht dagegen von außen gegen Schiffe, Schiffahrtswege und Hafenanlagen.
Terrorismus hat u.a. zum Ziel, ein bestehendes Wirtschaftssystem weitestgehend zu stören oder lahmzulegen. Um dieser Gefahr zu begegnen, wurde der ISPS Code u.a. entwickelt. Er hat zum Ziel, Schiffe und ihre Besatzungen sowie Schiffahrtswege und Hafenanlagen so gut wie möglich vor Terrorismus zu schützen.
Hafenanlagen, Schleusen usw. wurden dazu weitestgehend eingezäunt und werden mit Kameras bzw. Wachpersonal überwacht. Der Zugang zu diesen Anlagen sollte überwacht werden, so daß nur autorisierte Personen tatsächlich Zugang bekommen.
Die Praxis sieht da allerdings teilweise anders aus. Zwar existieren Zäune und auch Wachpersonal, das den Zugang überwachen soll ist vorhanden, trotzdem ist es gar nicht selten möglich, so abgesicherte Hafenanlagen ohne jegliche Überprüfung durch das Wachpersonal zu betreten.
Zwar muß auch der Zugang an Bord von den Besatzungen überwacht werden, aber selbst wenn dies ordnungsgemäß geschieht, ist nicht sichergestellt, daß sich nicht unbefugte Personen an Bord schleichen.
Während man Hafenanlagen von der Landseite einigermaßen absichern kann - ein absoluter Schutz gegen terroristische Aktivitäten ist nicht möglich - sieht die Sache auf der Wasserseite doch etwas anders aus. Zwar muß es im Landbetrieb in jeder Reederei einen Gefahrenabwehrbeauftragten (Company Security Officer, CSO) geben, der für die Organisation der Sicherheit der von ihm betreuten Schiffe zuständig ist. An Bord muß es dazu noch einen Ship Security Officer (SSO) geben, der die Einhaltung der Maßnahmen des ISPS Codes vor Ort garantiert. Im Falle eines terroristischen Angriffs auf ein Schiff dürften allerdings weder der CSO noch der SSO in der Lage sein, kurzfristig Maßnahmen zu ergreifen, die den Angriff sicher abwehren können. Die Besatzungen an Bord sind nicht dafür geschult, noch sind die Schiffe dafür gebaut oder ausgerüstet, Terroristen oder Selbstmordattentäter aktiv zu bekämpfen. Die Erfahrungen mit der keineswegs neuen Piraterie auf See haben gezeigt, daß nicht jeder Angriff auf ein Schiff Erfolg haben muß, die Bedrohung jedoch real ist und aktive Abwehrmaßnahmen gerade bei bewaffneten Angreifern oft genug keinen Erfolg haben. Oft ist es die Geschwindigkeit des angegriffenen Schiffes und ein ausreichend hohes Freibord, das die Chance, einem Angriff zu entkommen, erhöht. Der in Gegenden mit häufigen Piratenangriffen auf beiden Seiten des Schiffes bereitliegende und unter Druck stehende Feuerlöschschlauch mag gegen ggf. unbewaffnete Piraten einen gewissen Schutz darstellen, gegen bewaffnete Terroristen hilft er nicht. Auch das Abschalten der kompletten Beleuchtung an Bord in Seegebieten mit häufigen Piratenangriffen stellt nur einen bedingten Schutz gegen die Piraten, aber eine deutliche Erhöhung der Gefahr durch andere Fahrzeuge dar.
Vielversprechender ist da schon der zusätzliche Einsatz von Chemikalien (Stichwort: Reizgase), die dem Wasser im Feuerlöschschlauch zugeführt werden und möglicherweise Angreifer zurückwerfen können. Ebenfalls recht erfolgreich scheinen Angreifer auf See mit einer aktustischen Waffe zurückgeworfen werden, wie sie z.B. die US-Marine nutzt. Mit der Waffe können hochfrequente Töne erzeugt werden, die als ausgesprochen schmerzhaft gelten. - Relativ bekannt wurde sie durch den Angriff auf das Kreuzfahrtschiff "Seabourn Spirit" Anfang November vor Somalia. Die "Seabourn Spirit" ist mit solch einer akustischen Waffe ausgerüstet und konnte den bewaffneten Angreifern, die das Schiff bereits beschossen, entkommen.
Im Normalfall allerdings verfügen Schiffe über wenige bis keine wirksamen Abwehrmöglichkeiten gegen bewaffnete Angreifer. Es ist also durchaus vorstellbar, daß Schiffe von Terroristen gekapert und als Waffe gegen andere Schiff, Schiffahrtswege oder Hafenanlagen eingesetzt werden. Ebenso denkbar ist ein Angriff auf ein Schiff mit dem Ziel, dieses zu versenken, um damit die Zufahrt zu einem Hafen, durch einen Kanal o.ä. zu blockieren.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich den Verweis auf eine Diplomarbeit zum Thema ISPS Code (der Link verweist auf ein PDF-Dokument auf der Webseite von Transocean Shipmanagement, Hamburg):
Maritime Terrorabwehrmaßnahmen und ihre Auswirkungen auf die internationale Handelsschifffahrt - Schwierigkeiten bei Umsetzung und Betrieb des ISPS Codes sowie Lösungsansätze für das Schiffsmanagement
Gruß,
Michael