Duale Berufsausbildung in Deutschland gilt im Ausland als Vorbild
Beruf & Karriere | Mittwoch, 03 Juli 2013 | 7177
03.07.2013 | Prof. Dr. Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg und Mitglied im Hauptausschuss von ICC Deutschland, sprach im April 2013 beim ICC World Chambers Congress in Doha über das Modell Duale Berufsausbildung, das maßgeblich dafür verantwortlich ist, dass Deutschland die niedrigste Arbeitslosenquote unter Jugendlichen in Europa aufweist. Die Bildungspolitik von heute entscheidet über die Wirtschaftspolitik von morgen. Denn Fehler in der schulischen Bildung, in der Berufs- und universitären Ausbildung rächen sich durch mangelnde Integration der Menschen in den Arbeitsmarkt, geringere Leistungsfähigkeit der Unternehmen und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit. Am Ende droht hohe Arbeitslosigkeit, besonders gravierend in Form von Jugendarbeitslosigkeit. Die Qualität hängt von der Qualifikation der Menschen ab. Dabei geht es nicht darum, ob die Qualifikation hoch oder niedrig ist. Eine hohe Qualifikation ist selbstverständlich notwendig für eine gute Qualität der Produkte. Doch eine hohe Qualifikation allein ist nicht hinreichend. Es muss auch die richtige sein. Eine, die Unternehmen brauchen. Und was Unternehmen brauchen, bestimmen die Märkte. Wenn Qualifizierungsinhalte nicht marktrelevant sind, kann die Qualifikation subjektiv durchaus hoch empfunden werden. Für Arbeitsmarkt und Unternehmen ist sie dennoch unbrauchbar.
Die Qualität deutscher Produkte wird weltweit geschätzt. Blickt man auf Patent- oder Exportstatistiken, steht Deutschland ökonomisch gut da. Das ist insbesondere eine Folge der Qualifikation unserer Beschäftigten. Weil unser Bildungssystem marktrelevante Fähigkeiten vermittelt, weist Deutschland unter den großen Wirtschaftsnationen die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit aus. Jeder Jugendliche, der wirklich eine Ausbildung sucht, kann unter mehreren Angeboten wählen. Das ist keine Selbstverständlichkeit.
Die Ursachen für diesen Erfolg sind komplex. Doch im Bildungsbereich hat dieser Erfolg einen Namen: das duale Ausbildungssystem. Es ist eine Alternative zum Hochschulstudium. Deutschland besitzt deshalb eine der niedrigsten Akademikerquoten, und das Land ist dennoch erfolgreich. In vielen Bereichen kommt es nicht auf akademische Fähigkeiten an. Mitunter sind Menschen sind auch nicht geeignet. Statt arbeitslose und frustrierte Akademiker zu produzieren, bietet das duale System eine attraktive Alternative. Sie bildet das Rückgrat der deutschen „labour force“.
Das duale Ausbildungssystem heißt dual, weil es zwei Lernorte gibt: Eine Berufsschule und einen Ausbildungsbetrieb. Der junge Mensch pendelt zwischen beiden Orten. Beispielsweise arbeitet er vier Tage in der Woche im Betrieb und lernt an einem Tag überbetriebliche Fertigkeiten wie Mathematik und Fremdsprachen in einer Schule. Mitunter wechseln sich auch mehrwöchige Blöcke ab.
Das duale Prinzip ist nicht zu verwechseln mit einer Schule mit integriertem Praktikum. Vielmehr gibt es einen einheitlichen Ausbildungsplan, dem Schule und Ausbildungsunternehmen unterworfen sind. Im Unternehmen findet kein Praktikum oder „Training on the Job“ statt. Es reicht auch nicht, dass der Betrieb nur betriebliche Fertigkeiten vermittelt. Die Jugendlichen sollen einen Beruf erlernen; einen von 220 definierten Berufen mit konkreten Ausbildungsordnungen. Diese schreiben die Lehrinhalte in Schule und Betrieb vor. Ausbildungsordnungen sind die Klammer zwischen Schule und Betrieb, die gemeinsam am Gelingen arbeiten. Ein intensiver Dialog zwischen Wirtschaft und Leitern der Berufsschulen stellt sicher, dass auch die Berufsschulen marktrelevant agieren. Es versteht sich von selbst, dass ein solches System eine passgenaue Ausrichtung der Qualifikation auf den Arbeitsmarkt hervorbringt.
Zusätzlich wird Marktrelevanz durch Abschlussprüfungen gewährleistet. Eine weitere Besonderheit des deutschen Systems ist, dass sie in den Händen der Wirtschaft liegen. Kommissionen, in denen Unternehmer sitzen, nehmen die Prüfungen ab. So stellen sie sicher, dass Berufsschullehrer und Ausbilder in den Unternehmen die Marktrelevanz fest im Blick haben, denn nur so führen sie ihre Schüler zu einem erfolgreichen Abschluss.
Ein solches System ist nicht mit einem Federstrich zu schaffen. Dahinter steht eine gewaltige Organisationsleistung. In Deutschland ist dafür die Wirtschaft selbst verantwortlich. Diese Aufgabe übernehmen die deutschen Industrie- und Handelskammern (IHKs). Sie sind Kammern des öffentlichen Rechts und erfüllen auf der Grundlage eines föderalen Gesetzes vier Aufgaben:
1. Sie zertifizieren Unternehmen, die als Ausbildungsbetriebe am Markt auftreten dürfen.
2. Sie tragen die Verträge ein, die zwischen Ausbildungsunternehmen und Auszubildenden geschlossen werden. Die IHKs stellen die Vertragsstandards sicher.
3. Durch ihre Ausbildungsberater stellen sie sicher, dass Unternehmen während der zwei- bis dreijährigen Ausbildung ihre Pflichten gemäß der Ausbildungsordnung erfüllen.
4. Sie organisieren die Abschlussprüfungen der dualen Ausbildung. Allein in der Handelskammer Hamburg sind 4.000 Unternehmer als Prüfer für insgesamt 120 Ausbildungsberufe tätig. Sie nehmen 12.000 Prüfungen im Jahr ab.
Die Kosten der Ausbildung teilen sich Wirtschaft und Staat. Der Staat übernimmt den schulischen Anteil. Die betriebliche Ausbildung finanzieren die Unternehmen. Berechnungen zeigen, dass ein betrieblicher Ausbildungsplatz das Unternehmen pro Jahr etwa 15.000 Euro kostet. Darin enthalten sind eine Ausbildungsvergütung von monatlich 500 – 1.000 Euro, die Bereitstellung des Ausbildungsplatzes und das Gehalt der Ausbilder. Deutsche Unternehmen zahlen also Geld für die Ausbildung junger Menschen. Im internationalen Vergleich ist das nicht selbstverständlich. In vielen Ländern erwarten Unternehmen, dass der Staat für die Ausbildung aufkommt und gut ausgebildete Absolventen zur Verfügung stellt. Die daraus resultierenden Ergebnisse sind oft nicht zufriedenstellend.
In Deutschland bilden etwa 500.000 Unternehmen 1,5 Millionen Auszubildende aus. Die Gesamtkosten der Unternehmen belaufen sich auf 23 Milliarden Euro. Der Staat steuert für den schulischen Anteil an der dualen Ausbildung etwa drei Milliarden Euro bei.
Deutsche Unternehmer haben nicht unbedingt ein besseres Herz für ihre Auszubildenden. Sie betrachten Ausbildungskosten vielmehr als Investition in die Zukunft ihres eigenen Unternehmens. Jeder Euro, der in die Ausbildung eines jungen Menschen fließt, ist eine lohnende Investition sofern es gelingt, den Auszubildenden längerfristig an das Unternehmen zu binden. Weil die Unternehmen Teil des dualen Systems sind, können sie auch verschmerzen, wenn sich ein Jugendlicher nach abgeschlossener Ausbildung umorientiert, denn sie können auf dem Absolventenmarkt Ersatz finden.
Die Vorteile dieses Systems sind offensichtlich. Unternehmen haben Einfluss auf Ausbildungsinhalte und geringe Rekrutierungskosten. Gleichzeitig sichern sie ihren Nachwuchs. Für jungen Menschen bedeutet es Sicherheit, marktrelevante Fähigkeiten zu erwerben. Sie können ihren Unterhalt unabhängig von den Eltern bestreiten. Und sie eignen sich soziale Fertigkeiten in der betrieblichen Wirklichkeit an statt in Beton gegossenen Ausbildungszentren mit künstlichen Firmenwelten und veralteten Maschinen.
Auch der Staat hat Vorteile. Er hat keine hohen Kosten für die berufliche Ausbildung. Die hohe Marktrelevanz der Ausbildung trägt maßgeblich zur geringen Jugendarbeitslosigkeit bei. Dies hilft, die sozialen Transferkosten niedrig zu halten. Diese Win-win-win-Situation ist allerdings nur gegeben, wenn das System gut gemanagt wird. In Deutschland trägt der Garant dafür einen Namen: die Industrie- und Handelskammern.
Foto: ICC Deutschland e.V.
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